Beim König zuhause

P1030976 1kAufmerksamen Besuchern des Humboldt-Blicks wird sie kaum entgehen, auch wenn alle neugierigen Blicke vorzugsweise auf das Tal von La Orotava gerichtet sein dürften: die etwas beschädigte Marmorplatte an der Betonwand gegenüber des Restaurantes. Sie erinnert seit 1988 an Bencomo, den Sieger der Schlacht von La Matanza (1494) und letzten Mencey des Kleinkönigreichs von Taoro, dem heutigen Orotavatal. Sie sagt etwas über die ihm zugeschriebene  Freiheitsliebe der Guanchenfürsten aus. Aber warum hängt sie hier an dieser hässlichen Wand?

Wenige Schritte von dieser Stelle in Richtung La Orotava überquert man den kleinen Barranco de El Pinito bei einem Schild mit der Aufschrift „La Resbala“, was man mit „Rutschbahn“ übersetzen könnte und das auf das gleichnamige Landschaftschutzgebiet hier hinweist. Er ist sehr zugewachsen, viel erkennt man nicht. Aber hier, so wird berichtet, soll sich die Wohnhöhle Bencomos befunden haben. Guanchen-Experten wissen natürlich: Er war auch der strenge und zugleich gütige Vater der Prinzessin Dácil, die von einem spanischen, also feindlichen, Offizier nach einer rührenden Romanze geheiratet wurde und so in den Stand einer spanischen Adeligen kam. Ein Denkmal im Kreisverkehr unterhalb von La Orotava erinnert an dieses Symbol der Vermischung der spanischen Eroberer mit der Urbevölkerung. Und hier in diesem Barranco soll sie zusammen mit ihrem Vater zuhause gewesen sein. Grund genug, den Ort aufzusuchen. Leider ist die Schlucht von der Straße eher unzugänglich, und die Wohnhöhlen sollen etwas höher in einem Bereich gelegen haben, den man von unten nicht einsehen kann. Aber noch weiter oben überquert die Brücke eines Kanals den Barranco. An dieser Brücke ist ein Geländer erkennbar. Dort oben gibt es einen Weg, von dem man gut in die Schlucht sehen kann. Der Fahrweg hinauf ist sehr steil und derP1030982 1k kleine Stufenpfad von dort zum Kanal nichts für schwache Gemüter. Doch die Mühe lohnt sich; man blickt auf mehrere wenig tiefe und unterschiedlich große Höhlen … und eine ganze Ziegenherde. Offen gesagt: Die Höhlen reichen noch nicht einmal als Dach für all die Ziegen. Dieser Platz entspricht mit nichts den bekannten Wohnplätzen früherer Steinzeitmenschen an anderen Orten. Schwer vorstellbar, dass hier einmal ein König gewohnt haben soll.

Unklaren Situationen gehe ich gerne auf den Grund. So versuche ich historisch belegte Informationen über diese  Höhlen und ihre Bedeutung zu finden. Das Internet ist voll von Berichten über Besuche diverser Leute dort. Gemeinsam ist allen, dass sie voraussetzen, dies sei der richtige historische Wohnplatz. 1986 wurden sie deswegen zum schützenswerten Kulturgut erklärt. Zwar scheint manchen dabei bekannt zu sein, was EL DIA am 26.12.2009 berichtet: Bencomo residierte im heutigen Los Realejos. Aber Zweifel scheint außer einem auf die Zeit der Eroberung spezialisierten Historiker der Universität von La Laguna niemand zu haben. Der weist aber nachdrücklich darauf hin, dass der älteste Hinweis auf die Höhle als Bencomos angeblicher Wohnung aus den 1940er Jahren stammt und auf einen Vermerk in einer Landkarte zurückgeht, die sich damals im Hotel Taoro in Puerto de la Cruz befand und inzwischen spurlos verschwunden ist. Keine der bekannten älteren Quellen verweist auf diesen Platz. Das ganze sieht nach einem PR-Gag eines damaligen cleveren Fremdenführers aus, aus dem sich eine der in Teneriffa häufig anzutreffenden Legenden entwickelte. Immer wieder weitererzählt wird sie mittlerweile für zutreffend gehalten, obwohl dies durch nichts belegt werden kann. Von Princesa Dácil weiß man dagegen sehr gut, dass alle Berichte und Hinweise auf ihre Existenz und Romanze auf den Dichter Antonio Hernandez de Viana (1578 – 1650 ?) zurückgehen, der mehr als 100 Jahre nach der Unterwerfung der Guanchen als Auftragsschreiber anfing. Das tut aber dem Symbolwert dieser Legende keinen Abbruch.P1030980 1k

Über den Kanal können übrigens Schwindelfreie ohne Höhenangst sehr schön luftig bis Las Cuevas laufen, wo leider Zäune den Weiterweg unmöglich machen. Dabei hat man in ganz besonderer Weise den berühmten Humboldt-Blick vor sich. Ach ja, auch der ist größtenteils das Ergebnis einer Legende. Aber davon berichte ich vielleicht ein andermal.

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